Was ist der Unterschied zwischen einer Schilke S32 und einer Topline von Kühnl & Hoyer? Antwort: Mehr als 2.000 Euro! Und was haben sie gemeinsam? Erstaunlich viel. Genau diese Kombination macht einen Vergleich der ungleichen und doch ähnlichen Trompeten so lohnenswert.
Es war im letzten Spätsommer, als der TrumpetScout gefragt wurde, ob er bei einer Ballnacht trompeterisch aushelfen könne. Ball, das heißt unterschiedliche Stile: von Walzer bis Latin, von Marsch bis Big Band-Chart, von Strauss bis Lou Bega. Es heißt aber vor allem anderen: lange spielen. Da ist ein Instrument, das sich genügsam blasen lässt, mit einem kleinen Mundstück gut funktioniert und obendrein noch gut stimmt, ein echtes Survival-Tool. In Ermangelung einer solchen Trompete im Eigentum (zu jenem Zeitpunkt war das Arsenal just zusammengeschrumpft auf eine Olds Ambassador) kam die Schilke S32 eines TrumpetScout-Lesers gerade recht, um getestet zu werden. Der 5-Stunden-Gig ging damit schadlos, ja sogar erstaunlich erfolgreich über die Bühne. Selbst Einwürfe in einer Lage, die auf dem Papier doch einige Hilfslinien über dem Notensystem verlangen, gelangen. Da die Schilke nicht ewig als Leihgabe zur Verfügung stehen würde, aber für den Erwerb doch zu teuer erschien, musste aufmagaziniert werden. Und so führte der Weg schon bald ins Musikhaus.
Rückkehr zu einer alten Bekannten
Dort warteten einige Trompeten, die den Weg des TrumpetScout schon mehrfach kreuzten. So z.B. die Stomvi S3 oder die Yamaha-Modelle 6335RC und 8310Z. Daneben konnten auch die neuen Personality Line-Modelle von B&S angespielt werden. Auch wenn hier der Preis weit über einer persönlich gesetzten Preisgrenze lag, war doch die Zuversicht groß, dass vor allem die Trompete, die mit Martin Hutter entwickelt wurde, gut zur eigenen Spielweise passe. Es kam wie so oft anders – die PTI, also das nach den Wünschen von Thomas Inderka gestaltete Horn mit „Magnificent Multibore“ (was für eine Wortschöpfung!) gefiel von den drei Neuen am besten.
Auch die schon oft erwähnten und erschöpfend besprochenen günstigen Modelle YTR-3335 und YTR-5335G von Yamaha brachten sich selbst wieder ins Spiel. Doch dann fiel im Ausstellungsraum, wenn auch ungünstig hoch und zudem in der Ecke positioniert, noch eine deutsche Trompete ins Auge. Also nicht mit Drehventilen, sondern eben in Deutschland gefertigt: die Topline G von Kühnl & Hoyer. Auch eine alte Bekannte, die im Rahmen des einstmaligen Tests richtiggehend für Schockverliebtheit sorgte – das hatte der TrumpetScout nur vergessen. Am Ende des Probierens zog sich die Schlinge der Präferenz enger um die 5335, die 6335RC sowie die Topline mit Goldmessingbecher. Mit nach Hause ging schlussendlich the German Fräulein.
Schilke S32 und K&H Topline – eine erstaunliche Ähnlichkeit
Daheim wurden dann die eigenen Aufzeichnungen zur Topline G mit großem Interesse neu gelesen. Und im sechs Jahre alten Artikel war damals schon ein Desiderat formuliert, das jetzt wieder den Testhunger anheizte: „Sind sie mit Messing-Glocke nicht nur billiger, sondern noch spritziger oder schon wieder zu scharf und hell? Darüber kann man nur mutmaßen. Der TrumpetScout würde das aber gerne noch ausprobieren – solche Lust haben die Instrumente gemacht.“ Also wurde kurzerhand auch noch eine Topline bestellt – dieses Mal aber ohne G.
Als diese Gelbmessingvariante dann da war, galt es herauszufinden, wo die Unterschiede zwischen den beiden Schwestermodellen liegen. Weil sich dieser Prozess aber über Wochen erstreckte, muss dieser Strang der Erzählung zunächst einmal pausieren. Jetzt soll es um die Ähnlichkeiten zwischen dem unbewussten Vorbild Schilke S32 (so ungefähr soll eine künftige Balltrompete funktionieren) und dem ungeahnten Ebenbild, der K&H Topline, gehen.
Gleiche Bohrung, gleicher Wrap
Beginnen wir mit der Bohrung: Kühnl & Hoyer gibt für seine Trompete schlicht die Größe ML an. Schilke liefert bei seinem Modell den dazugehörigen numerischen Standardwert: 11,68 mm. Die Messung mit der analogen Schieblehre ergab in beiden Fällen 11,75 mm. Vergleicht man die Länge, liegen nur 5 mm zwischen den Instrumenten. Um so viel ist die Topline kürzer als die S32 mit insgesamt 486 mm. Damit einher geht eine andere Weite, die eigentlich mehr Relevanz hat, und das ist der sogenannte Wrap. Da die Gesamtrohrlänge für jede Stimmung sowie Lage determiniert ist (z.B. sind alle B-Trompeten – nicht Bass, nicht Piccolo – gleich lang), haben kurze Trompeten (wir sehen von Ausnahmen z.B. mit extrem überstehendem Mundrohr ab) also tendenziell einen Wide Wrap und lange – dazu zählen die hier besprochenen Exemplare – einen Tight Wrap. Sie sind also enger gewickelt, sprich Mundrohr und das rückläufige Rohr in die Maschine sind näher beieinander. Für die Hand respektive die Finger, die die Trompete halten, ist dann auch meist weniger Platz. Bei beiden Modellen zeigte das Messinstrument nur 48 mm an.
Unterschiedlich weit sind die Ränder der jeweiligen Becher. Die Messung bei der Topline entspricht der Herstellerangabe: 125 mm. Bei der S32 werden 127 mm ausgerufen, einer mehr war es beim Testmodell. Sind deshalb aber die Becher wirklich unterschiedlich groß? Der Verlauf der Glocke ist die am schwersten zu erfassende Größe bei Trompeten. Optisch war kein deutlicher Unterschied zu sehen, man könnte aber glauben, dass der Trichter der Topline etwas später und dafür stärker öffnet. Anders als z.B. bei der Schilke X3 sind die S-Modelle aber laut Hersteller nur mit einem ML-Becher versehen. Ein enormer Unterschied zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Bell sollte also nicht bestehen – bis auf die Herstellungsart. Schilke setzt bei der S32 auf einen Einteiler, wogegen bei der Topline das letzte Stück aufgesetzt wird. Aus Gelbmessing sind aber beide gefertigt.
S32 und Topline spielen in der gleichen Gewichtsklasse
Kommen wir zum Gewicht: Die Topline wiegt lediglich 1.004 Gramm. Ganz so leicht gebaut fühlt sie sich gar nicht an. Die Schilke S32 bringt 1.018 Gramm auf die Waage, ist also ein wenig schwerer. Nun muss man aber sehen, dass die Amerikanerin versilbert ist. Und so ein Kleid aus Edelmetall schlägt mit 25 bis 30 Gramm zu Buche. Rechnet man den Lack runter und das Silber drauf, dürfte eine Topline S also rund 1.025 Gramm wiegen. Damit wäre die deutsche Trompete schwerer – wenn auch nicht viel. Wo die wenigen Gramm versteckt sind, lässt schwer genau sagen. Die Topline hat auf jeden Fall Neusilber-Außenzüge, einen Zugstopper am ersten Ventilzug zusätzlich zu dem am dritten (und beide sind massiver ausgeführt als der eine bei der Schilke) und ein Ventil mehr, um Wasser abzulassen.
Ansonsten dominieren die gut sichtbaren gleichen Merkmale: Reversed Leadpipe mit Anschlag und einer Stütze im Stimmzug, dazu jeweils einen Fingerring auf dem ersten und dritten Zug.
Der größte Unterschied? The Sound!
Nun aber zum eigentlich erheblichen, den Spiel- und Klangeigenschaften. Für den TrumpetScout fühlte sich die Schilke S32 etwas offener an als die K&H Topline. Nicht scheunentorweit, aber etwas größer als die deutsche Kontrahentin ist sie dem Blasgefühl nach. Dennoch fallen beide definitiv in die Kategorie Mittelfeld und bieten den Widerstand, den viele suchen, die auf effizientes Spiel in der Höhe und Kräfteschonung bei langen Einsätzen erpicht sind. Auch in puncto Intonation ist die Topline der Schilke weder über- noch unterlegen. Wie bei fast jeder Trompete muss beim D2 etwas gegengesteuert und auch ein D3 etwas angehoben werden. Das ist aber ohne großen Aufwand gut zu bewerkstelligen.
Spannend wird es beim Klang. Dazu zunächst zwei Eigenzitate aus Tests, denen kein direkter Vergleich zugrunde lag und zwischen denen viele Jahre liegen, die sich wie folgt kombiniert jedoch beinahe wie ein solcher lesen:
„Laut, tragend und durchsetzungsstark. Das lässt sich ohne Zweifel für die S32 attestieren. Ansonsten aber ist der Sound für den TrumpetScout etwas zu clean, zu antiseptisch. Ein Sizzle-Generator scheint nicht verbaut zu sein.“
„Auf der anderen Seite beginnt die Topline schon früh ihre höchste Trumpfkarte auszuspielen: ihr an Sizzle reicher Studio-Sound. Dieses klangliche Brizzeln zeichnet gute Calicchios, Benges oder auch bestimmte Bachs aus.“
In den gemeinsamen Wochen mit S32 und Topline konnte sich der TrumpetScout davon nicht nur hinter den Instrumenten ein Bild machen. Ein Kaufinteressent für die Schilke blies beide Trompeten abwechselnd und bestätigte die Einzeleindrücke auf frappierende Weise – obwohl das einstige Urteil sogar für die Goldmessingvariante gefällt wurde. Der Ton der deutschen Trompete (jetzt mit Gelbmessingbecher) ist schillernder, lebendiger, facettenreicher. Qualitativ ist einfach mehr vorhanden. Die Topline hat eine gute Stimme, sie singt. Das muss nicht zwingend besser sein als das Angebot der Amerikanerin. Manche wollen das eben so. Der Kollege auf Besuch jedoch ließ die Schilke alsbald liegen und zog von dannen, um sich selbst eine Topline zu besorgen. Der TrumpetScout war ebenfalls restlos überzeugt, dass die persönliche Präferenz dem Heimathorn gilt.
Topline G oder Nicht-G – das ist hier die Frage!
Bleibt die Frage zu klären, welche Variante nun dem TrumpetScout eher zusagt. Goldmessing oder Gelbmessing? Das Spielgefühl bei der Topline G gefiel anfangs mehr. Die rötlichere Legierung beim Becher sorgte subjektiv für ein klareres und dadurch angenehmeres Artikulationsverhalten. Der Anstoß fühlt sich definierter an. An dieser Stelle sei auf den speziell dem Unterschied zwischen Messing und Goldmessing gewidmeten Artikel verwiesen, der einen prominenten Gasttester anführt: Jener „meinte, dass der Anstoß und das Ende der Töne mit dem Goldmessingbecher viel klarer und präziser seien, wogegen der ‚gelbe Becher‘ ein breiteres Tonspektrum erzeuge.“ Genau dieses Urteil konnte auch jetzt wieder bestätigt werden. Ein Trompetenkollege blies beide Modelle und dazu sogar noch Kanstul French Besson Breveté. Die Topline mit Messingbecher erschien breiter, singender, tonreicher, ja sogar fast ein wenig lauter als die Topline G, bei einem swingenden Big Band-Chorus, deren Ton gezügelter, kanalisierter und mit mehr Nukleus auf den Hörer zuschnellt. Die Beurteilung in einem großen Probelokal mit rund 10 Metern Abstand machte diesen Eindruck zu einem reliablen. Unerwartet – wenn auch nicht unlogisch – war, dass die noch leichtere French Besson gegen beide deutschen Trompeten (für den TrumpetScout) den Kürzeren zog. Sie klang direkt schal und etwas substanzlos, fast quäkig. Das empfand der Kollege anders. Seinen Eindruck eines zu braven „deutschen“ Klangs bei den Toplines teilt der TrumpetScout definitiv nicht.
Und so kam es, dass die Topline G nach anfänglicher Bevorzugung doch nicht den Weg ins ständige TS-Arsenal fand und zum Zwecke der besseren Weiterverkaufbarkeit gut verpackt ins Regal wanderte. Ihr klanglicher Vorteil für den Einsatz in Blaskapelle oder einem klassischeren Umfeld kommt beim TrumpetScout schlicht nicht zum Tragen. Doch muss man ehrlich sein: Damit lässt sich im Grunde alles spielen, genauso die sogenannten Commercial Gigs. Nicht nur wegen der klanglichen Vielfalt, sondern auch wegen der Verfügbarkeit aller Töne. Sowohl bei der K&H Topline als auch bei der Topline G bleiben einem ein G3, ein As3 und sogar ein A3 durch instrumentale Widerstände nicht verwehrt. Das hat der TrumpetScout beim nächsten Ball mit der ‚gelben‘ Topline und auch beim Vorspielen für einen Interessenten, der die leicht errötete Schwester kaufen wollte, zu seiner großen Freude feststellen können.
Ist die K&H Topline die Low Budget-Alternative zur Schilke S32?
Damit nun zum Resümee und der Beantwortung der Frage in der Headline: Bei der Topline von Kühnl & Hoyer handelt es sich um keinen Klon der Schilke S32. Dann hätte man wohl auch im Look (trotz Messing) mehr abgekupfert. Ob die jüngere deutsche Trompete von der älteren amerikanischen zumindest inspiriert ist? Keine Ahnung. (Eine Anfrage dahingehend bei Kühnl wäre wohl gar nicht oder nur mit einem deutlichen Ausdruck der Gekränktheit beantwortet worden.) Aber ja, in den Augen des TrumpetScout weist die Topline in Bezug auf ihr funktionales Design erhebliche Parallelen zur S-Klasse von Schilke auf. Ebenso in ihrer Spielbarkeit. Jedoch in des Testers Ohren ist der Unterschied gigantisch: Die Trompete aus Deutschland bietet schlicht sehr viel mehr Sound. Also: Es ist für den TS-Geschmack das bessere Instrument, das noch dazu lackiert satte 2.700 Euro (oder mehr als 60%) weniger kostet! Und selbst mit den knapp 500 Euro Aufschlag (was im Vergleich mit anderen, auch hochpreisigen Herstellern erstaunlich viel ist) für die Topline mit Messingbecher und Silber-Finish, kann man für den Preis der einen noch immer mehr als zwei Exemplare der anderen erwerben. Damit rangiert man zwar nicht auf einem echten Low Budget-Level, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis ist definitiv sehr günstig, der Kurs mehr als fair.
Du stöberst gerne auf TrumpetScout.de und willst die Schreibarbeit unterstützen? Das geht ganz einfach: paypal.me/trumpetscout! Danke – jeder Euro zählt!
Was sich der eine oder die andere jetzt fragt: Wird der TrumpetScout von Kühnl & Hoyer bezahlt? Klares Nein. Es gab auch keine Testinstrumente. Deshalb wurden beide Modellschwestern einfach angeschafft. Regulär, ohne Rabatt. Noch nicht einmal Informationen zur Bauart rückte der Hersteller raus. Und das ist vielleicht nach dem Klang der größte Unterschied: Amerikanische Unternehmen sprechen gerne über ihre Produkte. Deutsche Familienbetriebe halten sich dagegen oft bedeckt, ja begegnen Fragen(den) mit Misstrauen. Die Folge: Die einen können mehr als doppelt so viel für ein vergleichbares Erzeugnis aufrufen als die anderen und sind auf der ganzen Welt bekannt.
Und in eigener Sache: Solange sie noch im Sales-Bereich dieser Seite zu finden ist, steht die Topline G zum Verkauf.